
Location-Check: Humboldthain Club
Berlin – Wedding

Das ist heute mein erster Besuch im Humboldthain. Bikash, der Kurator des Humbikult-Projekts, hatte mich eingeladen. Die Künstler des heutigen Performance (6.7.23 Annick Schadeck, Keisuke Matsuno & DJ Fonk) sind toll, ich sollte sie mir unbedingt anschauen.
Der Eingang zum Humboldthain sei direkt neben dem S-Bhf Humboldthain, aber natürlich finde ich ihn nicht gleich. Ehrlich, der Eingang ist leicht zu übersehen, wenn die Tür geschlossen ist! und wirkt wie ein erweiterter Teil der Fassade des S-Bahnhofs! Google maps versichert mir, dass ich richtig bin, dennoch erscheint mir die verschlossene Tür nicht wie der Eingang eines bekannten Berliner Nachtklubs. Aber eigentlich doch cool.. und geheimnisvoll.., man ist ja in Wedding und nicht in einer der anderen hochpolierten Touri-Gegenden Berlin….
Grinsend öffnet mir Bikash die Tür, ich durchschreite das Portal zu der Welt des Humboldthains.
Der enge Empfangsbereich und der holprige Weg zu den Stufen, die in den Club-Garten hinunterführen erzählen dann doch erst wenig einem Nachtklub… nette Outdoor Atmosphäre...wirkt wie ‘n Jugendklub. Na jut, es ist ja gerade erst Nachmittag, abends wirkts bestimmt anders…aber irgendwie fühlt sichs an wie zuhause. Vielleicht, weil man es als Berlinerin gewöhnt ist, daß sich die besten Cafes und Bars in den außergewöhlichsten Ecken Berlins verstecken?
Auf jeden Fall gibts im Garten ne zusammengezimmerte Bar. Der schnucklige Outdoor-Bereich ist abgegegrenzt durch Gleise, durch die in regelmäßigen Abständen die S-Bahn tonnert. Quasi passendes Sound-Ambiente geliefert der BVG, zur Abwechlung mal für umsonst. Irgendwie auch sehr Berlin.






Drinnen schaffen die verwinkelten Räumlichkeiten mit bekritzeten Wänden das Bild einer “Fringe/ Offbeat” Location und ich komm mir vor, als ob ich durch die Kulissen einer Theaterbühne wandere. Die versteckten Nischen und Ecken laden ein zum intimen Gespräch, und die Klospülung auf der Damentoilette is etwas schwer zu finden – sie ist versteckt in der Deko und im Dämmerlicht. Aber sie findet sich dann nach ‘ner Weile. Tja, dit jehört allet dazu für ‘n richtijn Klub in Berlin.
Es liegt auf der Hand warum Künstler sich hier wohl fühlen: Nix ist überdekoriert, es gibt jenug
fast-nicht-beleuchtete Räume für Kreativität und geniales Verstecktes.
Vom Mainstream abheben – dieses Motto wurde in meinem kurzen Gespräch mit Ludwig, einem der beiden Inhaber des Klubs, mehrmals erwähnt. Diese Aussage sprach mich an – meine Künstlerinnen-Seele schrie Juchuu! – und ich erinnere mich häufig zustimmend genickt zu haben. Laut der Humboldthain Webseite haben ja künstlerische Inhalte Vorfahrt vor Umsatz und Gewinn. Klingt spitze… total auch mein Lebensmotto (wenn’s auch nich immer so klappt!) und is irjendwie och sehr Berlinisch – und wie in alten Zeiten…achja!
Weest du noch – das Tacheles?

Ach ja, das Tacheles! Einst das Kunst- und Kulturhaus Berlins schlechthin! Seit 2012 ist dies nun leider Geschichte. Die Inhaber des Humboldthain Klubs, Künstler, die selber lang im Tacheles aktiv waren, arbeiten seit 2013 nun daran ein neues Zuhause für Freigeister, Eigenbrötler und Freaks zu schaffen.
Heute ist das Tacheles ein Modell gestern, war es doch einst das Kunst- und Veranstaltungszentrum in Berlin schlechthin. Es war bekannt für seine Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Performances namhaften Künstlern, Tänzern und Theatermachern. Jedoch: Kunst braucht Raum. Mit dem Ende des Mietvertrags, musste das Tacheles leider aufhören zu existieren.
Berlin ändert sich im rasenden Tempo, seitdem es den Status einer Weltmetropole anstrebt. Früher gabs viel Platz umsonst in Berlin, jetzt ist Raum teurer Luxus geworden. Dementsprechend kann ein Revival des Tacheles-Spirit nur geschehen, wenn sich der Humboldthain diesen Veränderungen anpasst. So wird hier das einstige Tacheles-Künstler-Dasein mit der Realität des neuen Berlins jongliert.
Diejenigen, die das Tacheles noch kennen, werden bei einem Klub-Besuch schnell feststellen, dass Spuren des einstigen Tacheles unmerklich in der Luft liegen.
Der Humboldthain-Klub gibt sich nachbarschaftslieb, offen für jung und alt, sieht sich gleichzeitig als Verbindungsstück zwischen dem Mischmasch der Kulturen im Berlin-Wedding – und ist laut ihrer Website mietbar für Corporate Events….!
Ok, ja, erzeugte bei mir auch ein kurzes Stirnrunzeln, aber das sei nur kurz am Rande erwähnt (outet mich ja als ein Kind der West-Berliner autonomen Jahre….).
Wie jesacht, die Zeiten haben sich geändert und Berlin durchlebt jetzt eben eine neue Lebensphase. Da muss man mitziehn, um zu überleben. Berlin is ja bekanntlich ‘n Dschungäl, wie ich bereits erwähnte. Das neue Berlin duldet keine wirklichen Alleingänge mehr.
Und jetzt mal ehrlich, der Vorsatz Kunst vor Gewinn und Umsatz zu setzen, ist heutzutage schwierig umzusetzen – aber ich frage mich dennoch wie Anarchisten und Freaks damit zurechtkommen, dass Suits hier Partys feiern wollen? Oder vielleicht sind ja Suits die Anarchisten?? Ach egal, jeht och, is ja eijentlich dieser Widerspruch den Berlin einzigartig macht!
Am Donnerstag zum Humboldthain – lohnt sich allemal!